"Starke Frauen" - So der Titel der neuen Serie auf WiF, die sich mit außergewöhnlichen Frauen beschäftigt, die ohne großes Aufsehen in unserer dörflichen Mitte leben, obschon sie Tag für Tag besondere Herausforderungen stemmen und große Stärke beweisen. Diesmal werfen wir einen Blick auf Irmgard Dülsner. Sie ist Trainerin bei der TuRa Lommersdorf und leitet neben Langhanteltraining und Frauenturnen vor allem auch Spinning-Kurse. Das Besondere dabei ist nicht, wie sie selbst sagt, ihr "guter Bodymaßindex", sondern der Umstand, dass Irmgard die Sportkurse in den letzten Jahren trotz einer schweren Krebserkrankung abgehalten hat. Wie diese Krankheit ihr Leben prägt und dennoch der Sport im Mittelpunkt steht, hat sie uns im 3. Teil unserer Serie in einem sehr persönlichen Gespräch verraten. Sehr lesenswert!   

 

Mit dieser Frau einen gemeinsamen Termin zu finden, erweist sich als ausgesprochen schwierig. Denn die 51jährige Irmgard hat einen vollen Kalender.

Dabei könnten ihre gefühlt 1000 Termine als solche nicht unterschiedlicher sein: zum Einen dreht sich bei ihr vieles um ihre eigene Krankheit, aber offensichtlich noch mehr dreht sich bei Irmgard um den Sport bzw. ihre Sportkurse, die sie nicht etwa nur besucht, sondern vielmehr selbst abhält bzw. leitet.

Das klingt im ersten Moment schon fast widersprüchlich, doch das ist es im Fall von Irmgard ganz und gar nicht, vielmehr ergibt beides zusammen bei ihr einen ziemlich durchstrukturierten Tagesablauf, der absolut bemerkenswert ist. 

In unserer Reihe "Starke Frauen" blicken wir diesmal daher auf die dreifache Mutter, die in Brühl geboren wurde und 1999 mit ihrer Familie nach Freilingen gezogen ist und seitdem nicht nur aus dem Trainingsgeschehen der TuRa Lommersdorf, sondern auch dem Freilinger Karneval nicht mehr wegzudenken ist.  

 

Irmgard hat Power, und das nicht nur in der Stimme. Dies nutzt sie vor allen Dingen in ihrer Funktion als Trainerin beim Spinning bei der TuRa Lommersdorf, bei der die Indoor Cycling Kurse inzwischen einen großen Anteil am Sportangebot einnehmen und im Zuge des allgemeinen Fahrradbooms absolut beliebt sind. 

Dass Irmgard eher üppige Körpermaße hat, ist für sie kein Problem oder sogar Widerspruch zu ihrer Trainertätigkeit.  

"Ich habe immer leidenschaftlich Sport gemacht, egal bei welche "Gewichtsklasse" und Lebenslage im Leben. Trotz aller Kilos hatte ich immer viel Spaß an der Bewegung", erklärt sie lachend mit Blick auf ihre Rundungen. 

Ihre große Liebe ausgerechnet für das Indoor Cycling entdeckt sie 2002 im Hausfrauenkurs vormittags als Teilnehmer in Jünkerath in einem Fitnessstudio. Daraus entwickelt sich eine regelrechte Leidenschaft. 

Als der jüngste Sohn in den Kindergarten kommt, will sie dann noch einmal etwas anderes in ihrem Leben ausprobieren und entscheidet sich, in den Herbstferien in einem 14tägigen Kurs den Übungsleiterschein C  Breitstensport beim Kreissportbund zu machen.

Nach erfolgreichem Abschluss des Kurses will sie dann natürlich auch als Trainerin bei der TuRa Lommersdorf einsteigen. Sie beginnt mit Kinderturnkursen, später kommen drei Kurse Frauenturnen hinzu, die sie im Bürgerhaus in Freilingen anbietet. Dabei stellt sie jedoch fest, dass ihr das geliebte Spinning irgendwie fehlt. 

Daher schaut sie sich im Internet auf der Seite von "Tomahawk" um, einem Hersteller von Indoor-Bikes, die auch Kurse anbieten. "Ich habe da einfach angerufen und gesagt: ich habe da ein Problem. Ich bin etwas übergewichtig. Das war denen aber egal. Die meinten, kommen sie einfach vorbei und probieren sie das mal. Ich bin dann ein Wochenende dahin und habe an zwei Tagen das Einstiegsmodul Basic gemacht. Und dann sagte der Trainer zu mir: Irmgard du bist aber echt eine Nummer. Ich fiel etwas aus der Masse heraus, weil die anderen alle rank und schlank waren und ich die einzige mit einem guten Bodymaßindex war. Aber der sagte auch: du hast irgendwas, so wie du mit den Leuten sprichst und machst und tust, du bist schon was ganz Besonderes", erzählt sie von den Anfängen ihrer Spinning-Leidenschaft. 

"Dann habe ich das weiter gemacht und insgesamt 6 Fortbildungen besucht und mir dann auch ein eigenes Fahrrad für den Keller gekauft. Es reizte mich dann natürlich auch, dies als Kurs anzubieten. Die erste Reaktion im Verein war erst einmal eher zurückhaltend. Irmgard, hat man gemeint, so ein Fahrrad kostet 1000 €, wer weiß, ob das was wird, und ob da überhaupt genug Leute kommen. Aber ich wollte das unbedingt durchziehen. Da habe ich dann einfach mein eingenes Sparbuch gepündert und mir selbst 5 Räder zugelegt. Im November 2012 haben wir dann in der alten Grundschule in Lommersdorf angefangen. Das ist direkt wahnsinnig gut angenommen worden, so dass ich jeden Tag Kurse angeboten habe. Da habe ich sogar noch auf 10 Fahrräder aufgestockt. Auch die Räder waren jeden Tag besetzt", berichtet sie stolz.

Der Verein ist dann so von dem Angebot überzeugt, dass er die Räder von Irmgard übernimmt und selbst noch einmal 5 Räder dazu kauft, so dass man inzwischen auf 14 Teilnehmer- und ein Trainerrad kommt. Mittlerweile nutzen zahlreiche Sportfreunde das Angebot in Lommersdorf. Eine wahre Erfolgsgeschichte, auch für den Verein. 

Damit nicht genug, bietet Irmgard parallel dienstags auch das Frauenturnen und noch einen Langhantelkurs in der Sporthalle an, bevor sie dann anschließend zum Spinningkurs übergeht. 

Irgendwann wird aber alles etwas zu viel, so dass Peter Klinkhammer als Trainer mit ins Boot, besser gesagt auf das Bike genommen wird, der inzwischen montags und dienstags die Trainingsstunden übernommen hat. 

Heute betreut Irmgard noch zwei Spinning-Kurse, mittwochs und freitags neben dem Langhantelntraining und dem Frauenturnen. Das reicht ihr völlig. 

Das reicht schon allein deshalb, weil das außergewöhnliche an der Geschichte der Umstand ist, dass sie fast parallel zur ihrer sportlichen Erfolgsgeschichte eine eher bestürzende Krankheitsgeschichte zu erzählen weiß. 

Gerade, als die Spinningkurse sich zu einem richtigen Erfolgsmodell und neuen Lebensinhalt für sie entwickeln, erhält sie Ende Augst 2013 in der Kölner Uniklinik die Diagnose Brustkrebs mit hormoneller Ursache. "

"Das war schon ein ganz seltsamer Moment. Das Gehirn bekommt diese Nachricht, aber man macht zu, blockiert regelrecht. Rolf stand draußen auf dem Parkplatz. Da habe ich das Gespräch erst einmal unterbrochen und ihn dazu geholt, weil ich das einfach nicht glauben wollte bzw. konnte. Dann hat der Arzt die Diagnose noch einmal wiederholt und uns erklärt, dass ich einen relativ großen Tumor in der Brust habe. Da habe ich dann nur gedacht, na gut, dann ist das jetzt so" erzählt sie ruhig. 

Es nimmt dann alles seinen Lauf. Mehrere Operationen, bei denen eine Brust abgenommen wird, vier Monate Chemotherapie in Köln, zahlreiche Bestrahlungen in Mechernich, Brustaufbau und unzählige Arzttermine folgen. Ein von der Krankheit dominiertes Tagesprogramm...könnte man meinen. Aber trotz aller krankheitsbedingten Termine setzt Irmgard ihr Trainingsprogramm fort. 

"Während der ganzen Zeit, auch während der Chemotherapie und der Bestrahlung, habe ich weiter Kurse gegeben. Ich habe donnerstags gute 4 1/2 Stunden Chemo bekommen, danach war ich wie eine ausgepresste Zitrone, nur noch schlapp, ohne Energie. Sonntags war es dann wieder besser und montags saß ich schon selbst wieder auf dem Fahrrad und habe die Leute angetrieben", erzählt sie. 

"Ich hatte natürlich die Ärzte gefragt, wie es mit meinen Kursen aussieht. Aber in Köln an der Uniklinik wurde mir bestätigt, dass bei Krebs die Bewegung eigentlich optimal ist, weil durch die Bewegung das Krebswachstum verlangsamt wird. Die waren voll begeistert, dass ich parallel zur Behandlung die Kurse gegeben habe. Sie hätten das noch nie erlebt und ich sollte auf jeden Fall dranbleiben. Das war für mich auch eine gute Ablenkung, mit den Leuten zusammen zu sein und Spaß zu haben", beschreibt sie eindringlich.

Aber der Krebs lässt nicht locker ...

Im Rahmen einer routinemäßigen Untersuchung im Brustzentrum im Januar 2015 wird im CT eine Metastase am Schambein festgestellt.

"Ab da war mir klar, dass der Krebs gestreut hatte und ich jetzt quasi nicht mehr heilbar bin, wie sagt man so schön: fortgeschritten brusterkrankt. Ja, super und jetzt? Ich sollte bestrahlt werden und damit sollte das dann erst einmal erledigt sein, so die Aussage. Da habe ich nur gedacht: ihr habt ja alle gut reden" berichtet sie von der niederschmetternden Diagnose. Ihre Familie habe auf die Nachricht natürlich sehr "bedröppelt" reagiert, schließlich sei das ja auch alles nicht so schön.

Bei den folgenden Bestrahlungsterminen in Mechernich habe die Ärztin dort schon richtig Mitleid gehabt, dass sie schon wieder dran sei. "Aber ich sei ja so eine Frohnatur und würde das gut wegstecken. Na ja, Frohnatur habe ich gedacht, das hat mich dann aber schon umgehauen", schildert sie ihre Stimmung damals. 

Sie wird dann 25mal bestrahlt, 5 bis 10 Minuten lang, jeden Tag außer am Wochenende. Die Kurse laufen natürlich dennoch weiter. 

Die Bestrahlung bringt aber letztlich den Krebs dann doch nicht zur Ruhe. Er hat nicht nur das Schambein inzwischen" durchgefressen", sondern sich auch weiter in die Hüfte vorgearbeitet. Das wird aber trotz regelmäßiger Kontrolle und Untersuchung erst 2017 entdeckt, als Irmgard sich vor lauter Schmerzen kaum noch bewegen kann.

Im CT kommt dann die Diagnose, dass die Hüfte gebrochen ist. Da heißt es dann im Juli 2017 wieder ab ins Krankenhaus und Operation, bei der sie dann eine Prothese bekommt. 

"Zwei Wochen im Bett liegen, das war ein Theater, weil die OP ein paar Mal verschoben wurde. Aber ich hatte nette Frauen im Zimmer. Außerdem konnte ich sofort nach der OP dann mit Krücken wieder laufen, weil die Prothese im Becken einzementiert war", erzählt sie von der Krankenhauszeit in Köln.

"Der Arzt konnte das gar nicht glauben, als er mich mit den Krücken herumlaufen sah. Er meinte nur, dass das wirklich nicht normal sei, dass ich nach so einer schweren OP wieder mit den Krücken rumrasen würde", erzählt sie in ihrer unnachahmlichen Irmgard-Art. 

Anschließend wird sie wieder fit gemacht. Nach einer Reha macht sie schnell Fortschritte und im Dezember 2017 kann sie bereits ohne Krücken wieder laufen. Vermeintlich ist alles wieder gut und sie freut sich, ohne Hilfsmittel wieder mobil zu sein.

Vier Monate später der nächste Schock. Wiederum zufällig wird eine Metastase in der Lunge entdeckt.

"Jetzt hast du die Scheiße gerade gut überstanden, dann kommt der nächste Scheiß", erzählt sie. Die Diagnose bedeutet dann wieder das volle Programm.

"Ja, klasse, zweites Mal Chemo und Haare weg, auch wenn die Therapie anders und besser sein sollte. Das ist ja auch nicht so, dass das einem am Hintern vorbei geht, auch wenn das sich jetzt hier so locker anhört. Man fällt schon in ein Loch und denkt, wie krabbelst du da jetzt wieder raus. Dann hast du eine Familie, die leidet und ich sitze auch oft mit Rolf hier und weine darüber, aber ich würde nie in der Öffentlichkeit groß rumjammern", beschreibt sie schon fast abgeklärt die Situation.

"Irgendwann sitzt man auch beim Arzt und stellt auf Durchzug. Man will das gar nicht mehr hören. Dann denk ich immer super, und jetzt? Dann macht man das alles wieder und könnte eigentlich dann denken, jetzt ist es wieder gut. Aber bei mir ist es einfach nicht wieder gut. Man weiß eben nicht was kommt. Dann ist ein halbes Jahr später wieder das oder das. Man ist nicht mehr so unbefangen bzw. unbeschwert, wenn man zum Arzt geht. Rolf sagt zwar immer, ich soll optimistisch denken und das versuche ich ja auch. Aber man ist mit seinen Gedanken eben nicht mehr so frei und lebt einfach sein Leben so wie es ist. Wenn ich zur Kontrolle gehe, dann denke ich immer: jetzt steht es wieder 50 zu 50, dass irgendetwas gefunden wird. Man kann auch nicht immer nur positiv denken, dafür hatte ich schon genug Scheiße. Wenn nichts ist, dann freue ich mich wie bolle, aber wenn etwas ist, dann bin ich auch nicht ganz so stark geschockt. Das ist so mein eigener Schutz mittlerweile. Ich lasse mich nicht hängen, aber die Angst ist einfach immer da", fasst sie ihre psychische Situation zusammen.  

Und diese Angst, dass immer etwas da ist, ist bei ihr auch offenbar nicht unbegründet. Denn nach der Chemo-Therapie, die insgesamt fünf Monate dauert und trotz all der unschönen Nebenwirkungen sehr gut bei ihr anschlägt, ist nicht etwa endlich Ruhe im Hause Dülsner.

Denn man hatte ihr leider im Krankenhaus nicht gesagt, dass sie nach der Hüft-OP nicht mehr ohne Krücken herumlaufen sollte. Dies tut Irmgard in ihrer euphorischen Art, wieder laufen zu können aber ein Jahr lang. Das hat zur Folge, dass wieder bei einer Routineuntersuchung im März 2019 festgestellt wird, dass die Prothese sich gelockert hat. Daraufhin verbietet man ihr in Köln sofort sämtlichen Sport.

Ein Schock für Irmgard. Dieses "Verbot" kann sie aber beim besten Willen nicht einfach so hinnehmen und holt sich daher eine zweite Meinung ein. Sie wendet sich an die Tumor-Orthopädie in Essen, wo man nach der Vorstellung ihrer Krankheitsgeschichte sogar noch begeistert von ihrem sportlichen Einsatz ist. "Das ist doch ihr Lebensinhalt, hat die Ärztin dort zu mir gesagt. Machen sie das mal schön weiter, das Ding ist sowieso locker und muss irgendwann ersetzt werden. Da habe ich noch bei mir gedacht: sehr gut, die Frau ist dir sympathisch. Ich wieder auf das Fahrrad, wieder meine Kurse gebeben...juhu!", erzählt sie weiter. 

(der Sport ist ihr Leben, das zeigt auch die Torte zum 50. Geburtstag)

Eigentlich ist dann bis auf die Lockerung der Prothese dann eine Zeit lang alles gut. Hat sie gedacht. Hat man gehofft.

Im März 2020 werden Wassereinlagerungen im Becken entdeckt.  Da die Blutwerte auch immer schlechter werden, stellt man sie wieder in alle Richtungen auf den Kopf, bis dann die nächste Hiobsbotschaft kommt: eine Metastase im Becken, die bis dahin unentdeckt geblieben war. Inzwischen kann Irmgard kaum noch laufen. Es wird hin und her überlegt und man entschiedet sich gegen eine OP und für eine Bestrahlung. Diesmal ist es allerdings ziemlich schlimm mit den Nebenwirkungen, sie nimmt innerhalb von 6 Wochen etliche Kilos ab. 

In dieser Zeit fallen die Spinning-Kurse wegen Corona aus. Ein Glück für Irmgard, denn in dieser Phase ihrer Erkrankung hätte sie die Kurse tatsächlich absagen müssen, was sie natürlich ungern getan hätte.  

Nach der Bestrahlung geht es dann gesundlheitlich langsam wieder aufwärts mit ihr. Auch die Kurse sind wieder möglich, natürlich dann auch wieder mit ihr.

Dann kommt der zweite Lockdown und die nächste Pause für den Sport. In dieser Zeit wird in Essen festgestellt, dass die Prothese sich komplett gedreht hat und nun doch endlich entfernt werden muss. Gesagt, getan, ab in den OP. 

Sie bekommt eine neue, andersartige Prothese, die sie in der Beweglichkeit allerdings ziemlich einschränkt, da sie die rechte Seite vier Monate gar nicht bewegen soll. Das bedeutet große Umstände für sie im Alltag (die Treppe zieht sie sich über den Popo hoch) und erst einmal ein komplettes Aus für ihren Sport. "Da habe ich manchmal gedacht, was machst Du jetzt nur".

Ende Juli 2021 darf sie das Bein dann wieder belasten. Nach der erfolgreichen Reha bleibt aber ein Lymphproblem im rechten Bein zurück, das jetzt ziemlich angeschwollen ist. Jetzt helfen nur noch Kompressionsstrümpfe und leichte Bewegung. Großer körperlicher Einsatz und vor allen Dingen Fahrradfahren ist dagegen jetzt nicht mehr möglich. 

Das hindert sie aber nicht daran, weiter ihre Kurse zu geben.

Beim Langhanteltraining und Frauenturnen setzt sie sich zwischendurch öfter einmal auf einen Kasten, den Erwin Daniels vom Vorstand der TuRa ihr hinstellt, damit sie sich zwischendurch ein wenig auszuruhen kann. 

"Als ich anfangs ihm gegenüber etwas gejammert habe wegen der körperlichen Einschränkung, hat der nur geantwortet: De Schnüss is aber ja net kaputt, oder? Sag denen doch, was sie tun sollen. Da habe ich zu Erwin gesagt: da hast du recht. Das gilt dann natürlich auch für die Spinningkurse. Momentan ist es so, dass ich neben dem Fahrrad stehe und die anderen anleite. Das klappt ganz gut", erzählt sie weiter. 

Die TuRa habe sie immer so weit wie möglich unterstützt. Da sei sie froh und dankbar für.

"Jedes Fitnessstudio hätte mich wahrscheinlich schon dreimal entlassen. Aber jeder weiß, wie wichtig mir diese Kurse sind. Die Teilnehmer sind dabei natürlich das A und O. Hast Du nicht solche Leute, die das mit dir tragen und dich unterstützen, dann ging das alles gar nicht. Ich fühl mich ja selber manchmal nicht so wohl damit, dass ich als Trainer nicht mitmachen kann und jetzt nach der letzten OP so eingeschränkt bin, dass andere Leute das vormachen müssen, was ich sonst gemacht habe", schildert sie die neue körperliche Situation.

"Meine Kursteilnehmer haben da kein Problem mit, aber ich habe ein Problem damit, weil ich ja nunmal die Trainerin bin. Aber die Unterstützung ist einfach klasse. Die sind die wirklich Besten, das kannst Du auch genau so schreiben ", fordert sie mich nachdrücklich auf.

"Die Kurse und die tollen Menschen sind letztlich meine Therapie. Wir haben so viel Spaß zusammen, egal bei welchem Kurs. Das ist einfach gut für meine Seele. Ich hoffe, dass ich das noch lange machen kann, egal wo mein Weg hinführt", fügt sie lächelnd hinzu.

Demnächst irgendwann muss sie wieder zur allgemeinen Kontrolle ins CT. Und da ist sie wieder, die 50-50 Denkweise.

"Ich hoffe mal, dass da nicht wieder so eine Hiobsbotschaft kommt. Ich bin zwar mit der neuen Prothese nicht mehr so beweglich, aber krebsmäßig bin ich seit 2020 ja eigentlich jetzt stabil und ich hoffe auch, dass das weiterhin so bleibt und Du das hier nicht alles noch einmal umschreiben musst", beschreibt sie fast scherzhaft ihre momentane Situation. 

Das sei auch ihr größter Wunsch, dass nicht wieder irgendeine schlechte Nachricht komme, sondern jetzt erst einmal alles stabil bleiben würde. Auch für die Familie... schließlich sei ja momentan auch Andre wieder zu Hause. Ihr ältester Sohn wohnt aufgrund seiner Behinderung normalerweise in einer betreuten Wohneinrichtung, die aber mit den Folgen der Hochwasserflut zu kämpfen hat, so dass er übergangsweise wieder in Freilingen eingezogen ist. Rolf hat alle Hände voll zu tun, nicht nur Irmgard, sondern auch seinen Sohn zu unterstützen. Aber auch dies sieht Irmgard als schöne Belastung für die Familie, die in jeder Situaion fest zusammenhalte.

(Irmgard mit Rolf auf der Freilinger Kirmes 2018)

Alle 14 Tage kommt ihre "Putzfee", die Irmgard im Haushalt hilft. "Aber ich mach da auch mit. Alles, was ich im Stehen machen kann, das mach ich auch noch selbst, weil ich es unbedingt auch noch selber machen will", betont sie. Ihr fehle einfach der Antrieb, diese Dinge alleine zu erledigen. All die vielen körperlichen Nebenwirkungen zeigen eben auch Wirkung auf der Seele.

Dies würde man eben nicht sehen, weil sie bei den Sportkursen immer gut drauf sei. Die ganze Last stünde ihr eben auch nicht auf der Stirn. 

Wie schafft sie es nur, sich bei all den Herausforderungen und Rückschlägen zu motivieren ?

"Musik hilft mir unheimlich. Die ganze Musik für die Kurse stelle ich ja auch selber zusammen und damit habe ich auch viel Spaß. Und dann gibt es ja auch noch mein sechsjähriges "Herzenskind", mein Enkelchen. Ich bin froh und dankbar, dass ich schon Oma sein kann, da man ja nie weiß, wo meine Reise hingeht", strahlt sie bei dem Gedanken an ihre Enkelin, die mit ihrer Familie in Stuttgart wohnt.

Das Kind würde ihr unheimlich gut tun und man würde sich regelmäßig sehen, demnächst sogar gemeinsam Urlaub auf Teneriffa machen. 

"Mein Lebensmotto ist "Das Leben ist schön" und ich lebe auch gerne. Auch viele Gespräche mit meiner Schwester und einer sehr guten Freundin helfen mir unheimlich. Und natürlich auch mit Rolf, den man eigentlich an erster Stelle nennen muss. Einen Partner belastet eine solche Situation ja am allermeisten, weil er am nächsten dran ist und einem nichts von der Last abnehmen kann. Meine Familie sagt immer, ich würde es ihnen einfach machen, weil ich nicht rumjammere und versuche, positiv rüber zu kommen. Aber ich muss auch sagen, dass ich alles abschaffe, was mir nicht gut tut, sei es Dinge oder Beziehungen. Das habe ich durch die Krankheit gelernt. Gerade von Menschen, die einem auf den Keks gehen, sollte man sich befreien, das ist besser so", erzählt sie rigoros. 

Sich von unnötigem Alltagsgepäck zu befreien heißt bei ihr aber nicht, sich aus dem gesellschaftlichen Leben abseits der Kurse zurück zu ziehen. Wo auch immer sie bei Veranstaltungen wie Karneval oder Kirmes dabei sein kann, versucht sie mitzuhelfen und ihren Beitrag zu leisten, in dem Rahmen und so, wie sie es aufgrund ihrer Situation kann.

(Karneval 2010 : Irmgard im Gespann mit Siegfried Bonzelet)

"Mir ist wichtig, dabei zu sein und dazu zu gehören. Irgendwann kommt die Zeit, da kann ich vielleicht nirgendwo mehr hingehen, daher muss man die Zeit jetzt nutzen. Natürlich muss ich mein gesundheitliches Risiko abschätzen, so dass ich mir genau überlegen muss, wo ich mich z.B. auf der kommenden Kirmes hinpostiere, damit ich klar komme. Wenn dann welche dumm gucken, dass ich mit meinen Krücken da sitze, kann ich damit umgehen. Mir ist es lieber, die Leute sprechen mich offen auf alles an als sich zu distanzieren oder verschämt auf den Boden  zu schauen. Allein die Frage: na, wie geht es? ist ja für viele spürbar schon zu viel. Ich antworte dann meistens in der Kurzversion: ich schlag mich durch. So lange ich kann. Ich freue mich auch schon auf den nächsten Karneval. Dann können wir hoffentlich wieder auf der Bühne etwas machen", plant sie schon ihre nächsten Veranstaltungen. 

Lebensfreude...die ist ihr ganz offensichtlich sehr wichtig. 

Da freuen wir uns doch gerne mit ihr!

Auch ihr werden am Schluss die traditionellen vier Fragen gestellt: 

Lieblingslied: "Guten Morgen Barbarossaplatz von Querbeat. Das ist das Lied, wo alle durchmüssen, alle Gruppen, da es als letztes Lied läuft. Dann singen auch immer fast alle mit. Das ist richtig schön."

Lieblingsgruppe: "Querbeat, die sind Lebensfreude pur. Das mag ich."

Lieblingsfilm: "Kann ich jetzt keinen benennen. Ich schaue viel Netflix, wenn ich die Zwangszeit dafür habe."

Lieblingsessen: "Alles. Ich bin vielleicht eher die Süße als die Herzhafte. Ich könnte auch eher sagen, was ich nicht mag: Leber."

 

Liebe Irmgard, ganz, ganz lieben Dank für das sehr private Gespräch und alles, alles Gute für Dich und Deinen nächsten Termin. Hoffen wir mal auf die positiven 50 %.....

 

 

 

 

 

 

 

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