Interview mit der ältesten Freilingerin anlässlich ihres 100. Geburtstages am 08.12.2010

(Maria Luppertz und ihr 4 Jahre jüngerer Bruder Leo Mungen)

Alt werden muss man erst lernen oder man muss Menschen um sich herum haben, die für einen denken

Maria Luppertz aus Freilingen hat sich offenbar für die erste  Variante entschieden, obschon an ihrem jetzigen Wohnsitz eigentlich genug Familienmitglieder in nächster Umgebung leben, die für sie „denken“ könnten. Aber man merkt der älteren Dame an, dass sie auch im hohen Alter noch  gerne selbständig und unabhängig ist – auch mit fast 100 Jahren. Denn Maria Luppertz geb. Mungen feiert nächste Woche, und zwar am Mittwoch, 08.12.2010 ihren 100. Geburtstag.

Anlass genug für WiF, ein Interview mit der Jubilarin zu führen, die bei ihrem Schwiegersohn Heinz Hermeling auf dem Heidehof von Stefan und Roswitha Hermeling lebt.

Allerdings war es schon etwas schwierig, den günstigsten Zeitpunkt für dieses Gespräch zu finden. Denn in ihrem Tagesablauf den richtigen Moment für ein Treffen abzupassen hängt ganz davon ab, wie der Kreislauf der 100jährigen mitspielt. Macht dieser nämlich nicht so richtig mit, legt sich Maria kurzer Hand zum Ausruhen ins Bett, egal  zu welcher  Tages- und Uhrzeit. Und so bleibt mir morgens um 10.10 Uhr auch nichts anderes übrig, als meine Unterhaltung im Schlafzimmer der ältesten Freilingerin zu führen, während sie nun einmal gerade ihre Ruhephase hat.

Aber das stört letztlich niemanden, vor allen Dingen nicht Maria selbst. Im Gegenteil,  notfalls  will sie auch die Geburtstagsfeier in der nächsten Woche im Bett liegend begehen.

„Stefan wollte ja unbedingt die Musik für nächste Woche bestellen. Dann müssen die eben im Flur spielen, während ich hier im Bett liege. Ich setze mich auf jeden Fall nicht auf den Hof bei der Kälte.“

Das sah vor 5 Jahren bei ihrem 95. Geburtstag noch ganz anders aus. Damals befand sich der Umbau von Stefan und Roswitha noch in der Rohbauphase. Da aber an diesem Geburtstag ebenfalls frostige Temperaturen herrschten, verlegte man das Geburtstagsständchen kurzerhand in den Rohbau. Maria ließ es sich aber dennoch nicht nehmen, ebenfalls die Leiter hoch in den Umbau hinauf zu klettern und dort mit dem Musikverein Freilingen mitzufeiern und mit ihrem Schwiegersohn sogar noch ein kleines Tänzchen auf das Parkett zu legen.

Ganz abgeneigt, auch ihren 100. Geburtstag zu feiern, scheint sie aber trotz ihrer Kreislaufprobleme auch heute nicht zu sein. Man muss eben improvisieren.

„Der Bürgermeister von Blankenheim wollte auch vormittags zum Gratulieren vorbeikommen. Aber Heinz hat ihm ausgerichtet, dass er nachmittags vorbeikommen soll, weil dann mein Kreislauf erst richtig in Gang ist.“

Ja, ja der Kreislauf. Der bereitet der Jubilarin wahrlich die meisten Probleme. Sie selbst bezeichnet sich sogar als Wetterhexe. Denn der erste Blick morgens gelte dem Wetter und der Frage bzw. der Überlegung, wie sich das Wetter des Tages auf ihren Kreislauf auswirken werde. Irgendwie fällt dabei schon auf, dass andere typische Altersbeschwerden und –schwächen bei Maria gar keine Rolle spielen. Hören könne sie zwar auch nicht mehr ganz so gut, aber ein Hörgerät wolle sie dennoch nicht. Dies lohne sich in ihrem Alter nicht mehr und überdies wolle sie auch gar nicht mehr alles hören, das meiste lohne ohnehin nicht, gehört zu werden. Auch habe sie mit der Tageszeitung Schwierigkeiten, nicht was das Lesen als solches, also ihre Augen angehe, denn die Zeitung würde sie immer noch gut gelesen bekommen. Sie könne nur eben nicht mehr alles so gut behalten.

Es drängt sich allerdings der Eindruck auf, dass sie eben nur die unwichtigen Dinge nicht mehr behalten kann. Ansonsten reicht ihre Erinnerung nämlich eigentlich noch sehr weit zurück. Wenn man sie auf ihre Jugend anspricht, so sprudelt es förmlich nur so aus ihr heraus, vor allem was die  Kriegsjahre angeht. Selbst von den Zeiten des ersten Weltkrieges weiß Maria viel zu berichten.

„Ich war ja damals erst 8 Jahre alt. Aber ich weiß noch genau, wie ich bei meinen älteren Brüdern auf dem Schoß gesessen habe, als diese  während des Fronturlaubes unserem Elternhaus einen Besuch abstatteten."

Einer ihrer Brüder musste eine Zeit lang in englischer Gefangenschaft verbringen. Er brachte ihr nach seiner Rückkehr  bei, auf Englisch bis 10 zu zählen. Auch die Zeiten des zweiten Weltkrieges sind der  Jubilarin noch gut in Erinnerung geblieben.

„Auf unserem Grundstück gegenüber dem Friedhof gab es nach Bombeneinschlägen drei große Bombentrichter. Die Wucht der Einschläge war damals so groß, dass die Splitter bis zu uns auf die Fensterbank flogen. In den riesigen Einschlagslöchern hat man dann die verendeten Pferde der Soldaten geschmissen.“

Und dann erzählt sie noch von den unzähligen Bombern, die über Tag über Freilingen hinweggeflogen sind und wie sie sich bei Fliegeralarm in den Keller geflüchtet hat. Doch letztlich stellt sie weniger ihr eigenes Schicksal als das Schicksal der Flüchtlinge in den Vordergrund, die nach dem Krieg über die Dörfer zogen und um Lebensmittel bettelten.

“Ständig kamen Vertriebene, vor allem aus den geplünderten Dörfern in Belgien und fragten nach etwas Essbarem. Der Hunger war unvorstellbar. Manchmal gab ich ihnen fertig gebackene "Heffekögelchen", manchmal aber auch nur etwas Mehl in einer Tüte.  Es war schrecklich.“


Man spürt, dass diese Bilder auch nach all den Jahren noch klar im Gedächtnis sind. Vielleicht sind diese Erfahrungen auch der Grund dafür, dass gerade das Essen immer eine wesentliche Rolle im Leben von Maria gespielt hat. In Freilingen, wo sie bis vor 4 Jahren noch in ihrem Elternhaus in der Seestraße gelebt hat,  war sie  vor allem für den großen Garten und damit für die "Lebensmittelbeschaffung und -bevorratung" zuständig.

„Früher musste man eben das, was man essen wollte, selbst anbauen“.  Sie war erst 19 Jahre alt, als ihre Mutter starb und sie den „Rest“ der noch zu Hause lebenden Geschwister versorgen musste. Insgesamt 12 Kinder zählte die Familie Mungen, darunter 3 Mädchen, von denen Maria die jüngste war. Sie war es dann auch, die im Elternhaus wohnen blieb und dort auch später ihre Tochter Bärbel alleine großzog. Denn ihr Mann, den sie 1936 geheiratet hatte, verstarb bei einem tragischen Verkehrsunfall, als Bärbel erst ein halbes Jahr alt war. Geheiratet hat sie nach dem schrecklichen Verlust ihres Mannes nicht mehr, nicht, weil sie nicht gekonnt hätte, sie wollte einfach keinen anderen Mann mehr. Außerdem habe sie ja auch immer genug Männer um sich herum gehabt, womit sie dann ihre vielen Brüder meinte.


Obwohl, einen Mann hat sie ja dann doch heute noch, zumindest in der Kost. Denn trotz ihres fortgeschrittenen Alters kümmert sie sich nach dem Tod ihrer Tochter vor zwei Jahren noch täglich um das Essen für ihren Schwiegersohn Heinz.

„Als ich noch alleine in Freilingen gewohnt habe, habe ich manchmal nur einmal die Woche für mich selbst gekocht, das hat dann für mehrere Tage gereicht. Aber für Heinz muss ich doch jeden Tag etwas kochen.  Er isst zwar alles, vor allem auch Gemüse, aber er hat schon am liebsten gute Sachen auf dem Tisch, und zwar auch pünktlich zur Mittagszeit. Für mich wäre es ja eigentlich besser, ich würde gegen 3 oder 4 Uhr nachmittags erst essen, wegen des Kreislaufs“.

Aber wenn man die alte Dame so hört, hat man das Gefühl, dass sie eigentlich noch ganz gerne kocht, auch wenn sie sich bei manchen Sachen hinsichtlich der Zubereitung auf keine Experimente einlässt. Heinz hatte ihr nämlich einmal Lachs mitgebracht, mit dem sie nicht so richtig etwas anzufangen wusste. So musste sich dann Roswitha auch heftige Beschwerden darüber anhören, dass ihr Schwiegersohn etwas gekauft habe, wovon sie nicht wisse, wie man es kochen solle. Und da wurde der Lachs eben zu guter Letzt einfach in der Pfanne gebraten, wie ein normales Stück Fleisch.

Außerdem ist sie der Auffassung, dass die vielen Katzen auf dem Heidehof neben dem üblichen Katzenfutter auch gerne einmal etwas Selbstgemachtes fressen. Und so bekommen die Katzen dort auch oft genug Gemüse und auch Kuchen von ihr gebracht, wenn dies in ihrer Küche einmal übrig geblieben ist. Es sei schließlich mit das Wichtigste am Tag, dass die Katzen etwas zu fressen bekämen.

Aber auch die Vorliebe für die Gartenarbeit hat sie trotz ihres hohen Alters noch nicht abgelegt. Und so sieht man sie im Sommer immer noch oft genug im Garten werkeln, vor allen Dingen bei den Erdbeerpflanzen. Denn Erdbeeren, von denen sie schon in ihrem Garten in Freilingen viele angepflanzt hatte, liebt sie offenbar ganz besonders und vor allem, wenn sie  noch gefroren und  gut gezuckert in einem Glas Sekt gereicht werden.

Auf die Frage, ob sie einen besonderen Tipp oder Trick habe, wie man denn so alt werden könne, antwortet sie zum Schluss des Gesprächs: “Wieso ich so alt geworden bin, weiß ich auch nicht. Ich habe jedenfalls nichts Besonderes dafür getan. Und ich habe auch niemals daran gedacht, dass ich einmal so alt werde. Wünschen tue ich es jedenfalls keinem“.

Dennoch wird man den Eindruck nicht los, dass sie eigentlich ganz gerne 100 Jahre alt wird, zumal sie auch noch so eitel ist, dass ihre Familie nur die Bilder von ihr an die Wand hängen darf, auf denen sie sich selbst ansehnlich findet. So musste Roswitha ein Foto von ihr wieder abhängen, weil es ihr nicht gefiel. „Das kannst Du aufhängen, wenn ich tot bin, jetzt aber noch nicht“. Und auch zu dem hier veröffentlichten Foto, auf dem sie zusammen mit ihrem einzig noch lebenden, "jüngeren" Bruder Leo auf dessen 96. Geburtstag Anfang November zu sehen ist, meinte sie nur :“Da bin ich nicht so gut drauf getroffen“.

Vielleicht war zu dem Zeitpunkt der Aufnahme auch nur der Kreislauf etwas im Keller. Aber irgendjemand wird wohl nächste Woche einen günstigen Moment erwischen und ein Foto machen, mit dem sie dann restlos zufrieden ist und das dann auch aufgehängt werden darf.

 

Anmerkung der Redaktion:

Als ich bei wunderschönstem Winterwetter den Heidehof Richtung Freilingen verließ, fuhr gerade ein Heiko-Verkaufswagen vor. Wie mir Roswitha am nächsten Tag berichtete, stand Maria, die ja während des ganzen Gesprächs gemütlich im Bett gelegen hatte, bei der Nachricht, dass der Heikowagen im Hof stand, schnell auf. Sie wollte unbedingt selber kaufen, natürlich nicht, ohne sich vorher auch noch flott gekämmt zu haben. Manchmal kommt der Kreislauf also auch vor 3 Uhr nachmittags in Gang. Das hängt eben immer davon ab, wie das Wetter ist....oder wer vor der Tür steht !

 

 

 

 

(Maria Luppertz beim Ehrentanz anlässlich ihres 95. Geburtstages)

(...und im Garten)

 

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