130 Jahre ist es her...dass die barocke Kapelle in Freilingen einem furchtbaren Brand zum Opfer fiel. Allein die Madonnenfigur konnte neben der ausgehängten Tür auf wundersame Weise gerettet werden. Da diese Mutter-Gottes-Statue für die Freilinger Wallfahrt eine ganz heraussragende Rolle spielt, blicken wir in unserer Reihe "Ein besonderes Ereignis in Freilingen..." diesmal auf den 25. Oktober 1891 zurück und damit auf das verheerende Feuer im Freilinger Gotteshaus bzw. auf die wundersamen Umstände, die zur Rettung der Madonna geführt haben. Erzählt wird die Geschichte diesmal aus der Sicht der Küchenmagd Gertrud, die damals auf dem Hof Ännches arbeitet, der direkt an die Kapelle grenzt und auf dem der schreckliche Brand ausbricht...

 

Die wundersame Rettung 

 

Der Tag beginnt wolkenlos. Er verspricht ein sonniger, warmer Spätsommertag zu werden, dieser letzte Sonntag im Oktober 1891.

Im Stall neben der Kapelle in Freilingen, der zum Hof Ännches und damit der dort seit Generationen lebenden Familie Riethmeister gehört, herrscht schon vor dem Sonnenaufgang rege Betriebsamkeit. Die beiden Knechte Anton und Josef kümmern sich um das Vieh. Eine ganze Reihe Milchkühe, zwei Ochsen und einige Schweine müssen mit dem Futter aus der großen Scheune, die direkt an das kleine Gotteshaus angrenzt, versorgt werden. Das Dutzend Hühner, das angeführt von einem prächtigen Hahn über Tag zwischen Stall und Scheune hin und her stolziert, um im qualmenden Mist nach etwas Verwertbarem zu suchen, schläft noch. Es ist halt noch früh.

Derweil schürt die Magd Gertrud, von allen nur Traudchen genannt, in der Küche des Haupthauses aber schon das Feuer in dem großen Holzofen, um das Frühstück für die Hausherren vorzubereiten. Nach dem Tod seiner Frau lebt der alte Herr Riethmeister mit zweien seiner vier Kinder, den beiden unverheirateten Söhnen Franz-Georg und Johann, alleine auf dem Hof. Traudchen muss sich beeilen, denn sie will in jedem Fall die Sonntagsmesse besuchen. Kurz vor 8 Uhr werden die Glocken der Kapelle zum Gottesdienst rufen und sie will ja noch ihr Sonntagskleid anziehen.

Die hübsche junge Frau ist gerade mit ihrer Arbeit fertig und umgezogen, als es zu leuten beginnt.

„Sanct Marteinus heisch ich, zu Gottes ere ruf ich, Gerhard von coellen guss mich, anno MDLX“ steht auf der größeren der beiden Glocken aus dem Jahr 1560 und sie scheint durch ihren mächtigen Klang tatsächlich ihre Gehilfin übertönen zu wollen. Traudchen liebt den sonntäglichen Kirchgang. Es ist für sie eine willkommene Zeit, einfach einmal inne zu halten. Sie streicht sich ihr Kleid noch einmal zurecht und betritt ehrfürchtig das kleine Gotteshaus durch die mächtige hölzerne Flügeltür. Sie taucht ihre Fingerspitzen in das kleine steinerne Weihwasserbecken, das rechts vom Eingang steht und segnet sich ehrfürchtig, bevor sie sich in eine der hinteren Bänke der sich schnell füllenden Kapelle setzt.

Ihr Blick schweift durch den Raum. Traudchen liebt das kleine Gotteshaus, auch wenn es in Größe und Stattlichkeit mit der Pfarrkirche in Lommersdorf nicht mithalten kann. Das Deckengewölbe ist aus Holz gefertigt. Die Flächen zwischen den dunkel gestrichenen Gewölberippen sind verputzt und weiß getünscht. Der Altarraum gefällt ihr am meisten.

Der barocke Altar hat geschwungene Säulen. Links und rechts befinden sich große Engelsfiguren mit lieblichen Gesichtern, die der prachtvollen Mitte zugewandt sind. Dort steht die anmutige Muttergottesfigur, die Traudchen bei jedem Besuch aufs Neue in den Bann zieht.

Eigentlich ist es nur die einfache Arbeit eines eher unbekannten Barockschnitzers um 1680. Aber es ist die Art und Weise, wie die Gottesmutter gutmütig dreinschauend das kleine Jesuskind mit seiner prachtvollen Krone beschützend und innig in ihrem Arm hält, die die junge Magd so berührt. Auch Maria trägt eine Krone aus kostbarem Silber und Traudchen hat immer den Eindruck, als würde der Glanz, der von dieser Figur ausgeht, in einem warmen Strahl ihr Herz erwärmen. Die Gottesmutter beschützt auch sie, davon ist Traudchen überzeugt und deshalb vergisst sie nie, für sich still ein kleines Mariengebet zu sprechen, wenn sie in der Kirche weilt.

Der Gottesdienst vergeht wie im Flug und hätte, wenn es nach der jungen Magd gegangen wäre, ruhig noch etwas länger dauern und ihre eine Pause verschaffen können. So muss sie schnell nach Hause zurück kehren, ihre Kleidung wechseln und ihre übliche Arbeit in Küche und Haushalt verrichten. Das Leben ist hart. 

Am späten Nachmittag ziehen dunkle Wolken über Freilingen auf. Ein heftiges Gewitter hat sich zusammengebraut.

Traudchen schafft es gerade noch, die Hühner in den Stall zu treiben und sich selbst vor dem beginnenden Regen ins Haus zu flüchten, als ein mächtiger Blitz die heraufziehende Dunkelheit erhellt. Kurz darauf ist ein gewaltiger Donnerschlag zu hören. Traudchen steht in der Stube und zuckt unweigerlich zusammen. Sie schaut durch das Fenster zum Hof und bemerkt, wie sich eine Rauchsäule auf dem Scheunendach neben der Kapelle in den Gewitterhimmel streckt.

„Es brennt“, entfährt ihr ein lauter Schrei. Auch der alte Herr und seine Söhne eilen in den Hof und versuchen mit den Knechten, das Feuer zu löschen. Mit Eimern wird das Wasser aus dem Brunnen geschöpft, der sich direkt hinter dem Stall auf dem Anwesen befindet. Auch Traudchen hilft in einer Menschenkette, das Wasser an den Brandherd zu schaffen. Sie hat furchtbare Angst, dass das Feuer die Kapelle erfasst. Die Vorstellung, dass ihre geliebte Madonna den Flammen zum Opfer fallen könnte, lässt ihre Kräfte förmlich wachsen. Während sie die Eimer weiterreicht, spricht sie leise alle Mariengebete, die sie kennt, vor sich her.

Die Nachricht vom Brand der Scheune auf dem Änncheshof spricht sich schnell in Freilingen herum. Helfer eilen herbei. Doch in Windeseile verbreitet sich auch das Feuer, da die Scheune nach einer ausgesprochen guten Ernte bis unter das Dach mit Stroh gefüllt ist.

Schnell greifen die Flammen auf den danebenstehenden Stall über. Aus allen Richtungen kommen inzwischen Helfer zum Brandort, sogar aus dem benachbarten Lommersdorf. Denn auch dort sind die Flammen über Freilingen gut zu erkennen. Alle versuchen nach Kräften, beim Löschen zu helfen.

Das Vieh wird in Sicherheit gebracht. Einige kräftige Männer ziehen die Holz-Feuerwehrspritze, die in einem kleinen Schuppen in der Mitte des Dorfes in der Nähe der großen neuen Dorfschule untersteht, zum Brandort. Es kostet schon erhebliche Kraft, die hölzerne Druckspritze zu bedienen, denn das Wasser muss mit Eimern in die Spritze geschüttet werden, da an ihr keine Saugvorrichtung vorhanden ist. Es sind allein 15 Männer erforderlich, um das Wasser hinauf zur Brandstelle zu pumpen.

(Beispiel einer alten Feuerspritze, um 1740)

Doch die Scheune ist letztlich nicht mehr zu retten. Auch die Stallungen sind mittlerweile erheblich in Mitleidenschaft gezogen.

Man geht dazu über, das Kapellendach mit der Spritze feucht zu halten, damit das Feuer nicht auf das Gotteshaus übergreifen kann. Inzwischen ist die Nacht über Freilingen hereingebrochen. Unheimlich lodern die Flammen in der Dunkelheit. Die vielen Helfer sind erschöpft, aber auch ein wenig erleichtert. Wenigstens hat man es bisher geschafft, das Feuer von der Kapelle fernzuhalten. Nach den dramatischen anstrengenden Stunden glauben alle, der Brand sei unter Kontrolle.

Doch der Schein trügt.

Es ist schon später Abend, als sich an der Spitze des hohen Kirchturms eine kleine Flamme zeigt. Ein großes Vogelnest unter dem Knauf ist offenbar durch einen Funkenflug in Brand gesetzt worden. Mit Entsetzten beobachten die vielen, abgekämpften Helfer, wie das Feuer sich im Kirchturm ausbreitet und die mächtige Wetterfahne mit dem eingeschnittenen Bild des heiligen Martins hell erstrahlen lässt. Was kann man jetzt noch tun?

Der Turm ist so schmal und die Balken so dicht, dass man von innen nicht an das Feuer herankommt. Andererseits ist der Turm so hoch, dass man mit der Feuerspritze nicht an das Feuer heranreicht. Verzweiflung macht sich breit. Traudchen steht wie geschockt in der Mitte des Hofes und muss wie alle anderen mit ansehen, wie der Kirchturm ein Opfer der Flammen zu werden droht. Das ganze Kapellendach ist in Gefahr.

(so hätte der Brand ausgesehen haben können...)

Es knirscht und knackt im Kirchturm. Das Gebälk, das die Kirchglocken trägt, gibt dem Feuer nach. Mit einem gewaltigen Aufprall schlagen die beiden Kirchglocken auf dem Kapellenboden auf und ziehen brennendes Gebälk mit in den Abgrund. Man schafft es gerade noch rechtzeitig, die Kirchentüren auszuhängen, doch im Inneren der Kapelle tobt bereits das Feuer. Brennende Balken versperren den Weg, der ganze Boden ist voll glühender Asche. Alles scheint verloren.

Auch der 19jährige Matthias Gossen aus Lommersdorf, der ebenfalls zum Helfen herbeigeeilt war, muss mit ansehen, wie das Innere des Gotteshauses von den Flammen ergriffen wird. Inzwischen hat sich das Feuer auf den Altar ausgebreitet. Matthias erblickt die Mutter-Gottes-Figur und ihn durchfährt der unbändige Gedanke, die Madonna retten zu müssen.

Trotz aller Gefahr stürzt er mutig in die Kapelle hinein, zwischen den brennenden Balken hindurch und reißt die Holzschnitzerei im letzten Moment von ihrem Sockel im Altar. Die beiden Kronen fallen herab, da sie nur locker aufgesetzt waren. Die Figur ist aufgrund der übermäßigen Hitze bereits glühend heiß, so dass er sie nicht mehr mit den bloßen Händen ergreifen kann.

Matthias zieht seine Jacke aus und hüllt die Figur dort hinein. Er stürmt mit der Madonna unter dem Arm hinaus. In dem Moment, als er mit dem eingewickelten Marienbild durch den Eingang nach draußen eilt, stürzt der schwere eichene Unterzug der Empore brennend nach unten und hätte den Retter um Haaresbreite unter sich begraben. Ein gewaltiges Feuerwerk sprühender Funken stiebt auf. Die Kirche scheint endgültig verloren, aber die Madonna und Matthias sind auf schier unglaubliche Weise gerettet.

Traudchen, die ebenfalls zum Eingang der Kapelle geeilt war und die Rettung ihrer geliebten Madonna aus einer gewissen Entfernung beobachtet hat, fällt auf die Knie und fängt an zu weinen. Vor Freude...über die Rettung der Gottesmutter.

Die einfache Holzschnittarbeit eines unbedeutenden Barockschnitzers bekommt an diesem unvergesslichen Tag eine noch größere Bedeutung für sie, die Freilinger Bevölkerung und Jahre später für viele Marienwallfahrer...


( s. dazu Bericht Wallfahrt)

 

Anm.: Die Kapelle brannte in dieser Nacht vom 25. auf den 26. Oktober 1891 bis auf die Grundmauern völlig aus. Mit dem Wiederaufbau wurde bereits im folgenden Jahr, 1892 begonnen (darüber kann ausführlich in der Dorfchronik von Albert Luppertz auf S. 163 nachgelesen werden, die im Archiv hinterlegt ist).

Die beiden alten Glocken konnten dabei nicht mehr verwendet werden, da sie in dieser Nacht zu einer unförmigen Masse zusammengeschmolzen waren. Dagegen wurden die zwei Kronen der Madonnenfigur später unversehrt im Bauschutt gefunden. Dieser Fund und die Rettung der Madonna wirken bis heute unvorstellbar, ja fast unglaublich. Denn auch die Figur blieb bis auf einen kleinen schwarzen Brandfleck auf der Stirn völlig unversehrt. Aber manchmal gibt es eben Dinge zwischen Himmel und Erde, die keiner Erklärung zugänglich sind...

Die Madonnenfigur wurde übrigens nach dem Brand im alten Gilleshaus (Lommersdorfer Straße 2) beim damaligen Bürgermeister von Freilingen, Anton Zimmer untergestellt und fand erst 37 Jahre später den Weg zurück ins Gotteshaus. Warum das so lange dauerte, ist eine andere Geschichte, die an anderer Stelle erzählt werden soll. 

Die wundersame Rettung der Mutter-Gottes-Figur ist in der Lommersdorfer Pfarrchronik von Pfarrer Spülbeck niedergeschrieben worden und kann auch in der Dorfchronik von Albert Luppertz nachgelesen werden. Die Geschichte der Magd Gertrud stammt allerdings aus eigener Feder. Gertrud war aber tatsächlich im Hause Riethmeister zur Zeit des schrecklichen Brandes angestellt. Sie hat zwei Jahre nach dem verheerenden Feuer Franz-Georg, einen der noch im Hause lebenden, 12 Jahre älteren Söhne geheiratet und bis zu ihrem Tode 1928 als "Frau Riehtmeister" und damit Hausherrin auf dem Änncheshof gelebt. 

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