Ein besonderes Ereignis in Freilingen... - In der Geschichte von Freilingen gibt es viele Tage, Momente und Ereignisse, die für den Ort oder die Menschen von besonderer Bedeutung sind. Alle sind es wert, dass man ab und an auf sie zurückblickt, damit bestimmte Leistungen und Personen, die Freilingen geprägt haben und die für die Geschichte Freilingens bedeutsam sind, nicht nur in unserem "Online-Archiv" in Erinnerung bleiben. Diesmal schauen wir auf eine besondere Veranstaltung zurück, die in diesem Jahr 75 Jahre zurück liegt: die erste öffentliche Wallfahrt in Freilingen am 6. Oktober 1946. Dabei erfährt man mehr über die "wahren Hintergründe" dieser Wallfahrt. Sehr interessant und überraschend...

(Freilinger Wallfahrt 1955)

In diesem Jahr findet in Freilingen zum 75. Mal das Mutter-Gottes-Fest und damit die Marien-Wallfahrt statt, bei der üblicherweise eine Prozession von Lommersdorf nach Freilingen führt. Auch zahlreiche Pilger aus verschiedenen anderen Orten nahmen in den vergangenen Jahren an der Wallfahrt teil. 

Die wundersame Geschichte der Rettung der hölzernen Madonnenfigur aus der Zeit um 1680 bei einem Kapellenbrand im Jahr 1891 (dazu demnächst mehr) und der späteren Wandlung der Martinus-Kapelle zu einer Marien-und Gnadenkapelle nach verschiedenen Gebetserhörungen, war ein vorgetragener Grund, warum die kleine Freilinger Kapelle erstmalig am Sonntag, 6. Oktober 1946 als neuer Ort für eine Wallfahrt ausgewählt wurde.

Es waren allerdings auch andere "besondere Vorkommnisse", die den damaligen Pfarrer Spülbeck veranlassten, die jährliche kleine Prozession der Pfarrgemeinde Lommersdorf-Freilingen am ersten Sonntag im Oktober, dem Rosenkranzfest nicht wie gewohnt zum Marien-Wallfahrtsort nach Barweiler (bei Adenau) führen zu lassen, sondern sich mit Freilingen einen "neuen" offiziellen Wallfahrtsort zu suchen. 

1946 war die Zeit der Besatzung in der Eifel. Während Lommersdorf und Freilingen in der britischen Zone lagen, stand Barweiler unter französischer Besatzung. Nun hatten es die Besatzungsmächte damals untersagt, die Zonengrenzen mal eben einfach so zu überschreiten, so dass es eines besonderen bürokratischen Aufwandes für die Genehmigung der kleinen Prozession bedurft hätte. 

Hinzu kam aber, dass sich in den vorangegangenen Jahren die Bedingungen für die auswärtigen Pilger in Barweiler verschlechtert hatten. So hatte man den müden Wallfahrern aus Lommersdorf und Freilingen regelrecht verboten, die an Wallfahrtstagen begehrten Kirchenbänke frei zum Sitzen und Ausruhen zu nutzen, da diese den eigenen Pfarrangehörigen vorbehalten bleiben sollten. Auch fanden die Pilger kaum Platz und Aufnahme in den örtlichen Gaststätten und Häusern, um sich nach der mehrstündigen Pilgerung zu stärken und auf den ebenso langen Rückweg vorzubereiten.

Dies ärgerte den um seine "Schäfchen" sehr bemühten Pfarrer Spülbeck, der kurzerhand den Plan von einer eigenen, alternativen Marienwallfahrt nach Freilingen entwickelte und dafür Mittstreiter in der Pfarrgemeinde suchte und fand.

Und damit die Prozession eine gewissen zeitlichen Umfang erhielt (schließlich braucht man für die gut 1 ½ km Wegstrecke von Lommersdorf nach Freilingen auch bei langsamer Gehweise allenfalls 20 Minuten), startete man die Wallfahrt kurzerhand in Freilingen, ging dann nach Lommersdorf und weiter an der Jodokuskapelle vorbei nach Neuhof und Ahrhütte. Anschließend ging es die "Mixdell" hinauf wieder nach Freilingen zurück, wozu man im Prozessionsschritt dann gut  2 ½ Stunden benötigte. Genau passend für eine "ordentliche" Pilgerung. 

(Prozession zwischen Lommersdorf und Jodokuskapelle)

Unter den Pilgern wurde ein extra gedrucktes Wallfahrtsbildchen verteilt.

(Wallfahrtsbildchen von 1946)

Vor der Kapelle war zudem ein besonderer Wallfahrtsaltar aufgebaut worden, um den sich nach der Prozession an die tausend Menschen versammelten. Denn es nahm nicht nur die gesamte Pfarrgemeinde an der "neuen" Wallfahrt teil, sondern auch hunderte Pilger aus den Nachbarorten, die von Pfarrer Spülbeck ausdrücklich eingeladen worden waren. Seine wohl heimliche Bitte, dass besonders viele Pilger an der neuen Wallfahrt teilnehmen und damit seiner Idee von der neuen Wallfahrt Recht geben sollten, schien damit erfüllt worden zu sein. 

Pfarrer Spülbeck war glücklich und zufrieden, was er auch in seiner ersten Wallfahrts-Predigt zum Ausdruck brachte.

(Pfarrer Spülbeck bei seiner Predigt)

Bezüglich der "Gründe" für die neue Marienwallfahrt und die geplante dauerhafte Einführung des Mutter-Gottes-Festes in Freilingen drückte er sich dann allerdings dann doch etwas diplomatischer aus:

"Als uns, von der Not eingegeben, der Plan kam, in diesem Jahr unsere Marienwallfahrt nach Freilingen zu lenken, fand dieser Gedanke überall freudige Zustimmung. Denn allen leuchtete unmittelbar der Vorteil dieses Pilgerzieles ein, nämlich dass viel mehr Menschen sich beteiligen können. Nach Barweiler hatten wir 4 bis 5 Stunden hin und ebenso lange zurück. Nur wenige und mit bestem Schuhwerk versehene konnten die weite Reise unternehmen und ich als Priester konnte fast nie mitgehen. So blieb das Ganze mehr eine private Pilgerschaft, nicht aber eine Angelegenheit der ganzen Pfarre. Nun sind wir gut 2 Stunden gewallfahrtet und schon am Ziele. Viele hundert sind mitgegangen, die ganze Pfarre ist dabei...und ich selbst freue mich, dass ich mit dabei sein darf, um mit euch zu beten und zu singen und auch vor Gott unserer Wallfahrt dadurch einen amtlichen Charakter zu geben. Diese großen Vorteile bewegen mich, euch vorzuschlagen, dass wir von nun an alle Jahre unsere Marienwallfahrt hier nach Freilingen richten", verkündete er der zahlreichen Pilgerschar. 

Offenbar rechnete Pfarrer Spülbeck mit zahlreichen Kritikern seines neuen Wallfahrtsplans, so dass er sich wohl gezwungen sah, besondere Gründe für seine Idee anzuführen und diese damit zu rechtfertigen.

Daher führte er in seiner Predigt weiter aus: ". Wer nach Barweiler gehen will, soll es gerne und ruhig tun. Aber unsere amtliche Wallfahrt, die Pilgerfahrt der Pfarre, soll von nun an die gekrönte Mittlerin aller Gnaden in der fast tausendjährigen Kapelle zu Freilingen zum Ziele haben. Ich habe mir natürlich die ernste Frage vorgelegt, ob das vor Gott recht ist, dass wir die Wallfahrt verlegen.

Und weil ich trotz der offenkundigen seelsorglichen Vorzüge für Freilingen ganz sicher gehen wollte, habe ich mit der Muttergottes einen Vertrag abgeschlossen. Ich habe nämlich für den heutigen Tag eine neutägige Andacht gehalten, eine Novene, und der Gottesmutter folgende drei Bitten vorgelegt, die sie gewähren solle zum Zeichen, dass es Gott und ihr recht ist, dass wir von nun an nach Freilingen pilgern: 

1. Sie möge für den heutigen Nachmittag gutes Pilgerwetter vermitteln

2. Sie möge am heutigen Tage viel zur heiligen Kommunion führen

3. Sie möge uns doch innerhalb dieser Novene wieder einen Soldaten unserer Pfarre aus der Gefangenschaft heimführen".

Und siehe da: alle drei Bitten wurden wundersam erhört, offenbar dank des guten Drahtes nach "oben". 

"Wir haben ein prachtvolles Pilgerwetter, obwohl es all die Wochen und Tage vorher, ja noch diesen Morgen trostlos geregnet hat. Und heute Nachmittag? Die Wolken haben kaum gewagt, uns die schöne Herbstsonne zu verdecken; es ist uns fast zu warm geworden", zeigte sich Pfarrer Spülbeck hinsichtlich des sonnigen Herbstwetters vor den hunderten Pilgern begeistert.

Auch seine zweite Bitte war eindeutig erfüllt worden. "Heute Morgen sind sehr viele zur Kommunionbank gekommen, die sonst nicht alle Monate dabei sind, so dass ich mich sehr gewundert und gefreut habe. Dabei habe ich vorher kein Wort der Ermunterung darüber gesagt, auch nicht für fremde Beichtväter gesorgt", so Pfarrer Spülbeck in seiner Predigt nicht ganz ohne Unterton.

Offensichtlich hatte er damals genau im Blick, wer zur Beichte kam und in der Messe zur Kommunion ging.

Seine dritte und schwierigste Bitte wurde sogar gleich doppelt erfüllt. Am dritten Tage seiner Novene, so führte er vor den vielen Pilgern aus, sei nicht nur einer, sondern gleich zwei Soldaten aus der Gefangenschaft aus Russland bzw. Frankreich heim gekommen: ein Lommersdorfer ( Josef Ehlen) und ein Freilinger (Gerhard Giefer), beides verheiratete Männer, deren Heimkehr besonders dringend und erwünscht gewesen sei.  

"Dank der himmlischen Mutter für diese Gnaden und diese Hilfe! Ich nehme die Erhörung dieser drei Bitten als ein Zeichen des Himmels und bitte euch, es als ein solches Zeichen zu betrachten und mit mir den Vorsatz zu fassen: von diesem Jahre an wollen wir alljährlich unsere große amtliche Marienwallfahrt nach Freilingen machen zur Mittlerin der Gnaden", führte er in seiner Predigt aus, dem nach diesen ganzen himmlischen Zeichen wohl niemand mehr ernsthaft widersprechen wollte.

Und so begründete er an diesem Tage kurzerhand und ohne lange Diskussion eine neue Tradition, da nach dieser ersten Wallfahrt tatsächlich jedes Jahr am ersten Sonntag im Oktober ein Mutter-Gottes-Fest in Freilingen mit Prozession abgehalten wurde (auch wenn sich der "Wallfahrtsweg" im Laufe der Jahre doch erheblich, nämlich auf die Strecke von Lommersdorf nach Freilingen verkürzt hat). 

In den folgenden Jahren wuchs die Beteiligung an der Wallfahrt stetig. 1949 strömten fast 3000 Wallfahrer nach Freilingen. Auch das Wetter spielte ganz den Wünschen von Pfarrer Spülbeck entsprechend tatsächlich immer mit. 

1951 wurde auf Drängen des Bischofs die Versetzung von Pfarrer Spülbeck nach Wassenberg angeordnet. Im gleichen Jahr kam das Gerücht auf, die Wallfahrt 1951 sollte die letzte sein. Ob diese Spekulation wegen des Weggangs des "Begründers" der erfolgreichen, jungen Wallfahrt oder eher wegen aufkommenden Unmutes in anderen Wallfahrtsorten wegen der Konkurrenz in Freilingen gestreut wurden, kann nicht gesagt werden. 

Jedenfalls drang dieses Gerücht sogar bis zur lokalen Presse durch, die sich veranlasst sah, einen Berichterstatter ins Pfarrhaus nach Lommersdorf zu schicken, um den engagierten Pastor zu den Mutmaßungen zu befragen. 

Der zeigte sich hinsichtlich der Gerüchte eher gelassen.

"Auch ich bin nach der Fortdauer dieser an sich jungen Wallfahrt gefragt worden. Ich weiß nicht, wer dieses Gerücht und Gerede aufgebracht hat. Selbstverständlich halten wir die Wallfahrt bei und ich hoffe, dass sie nie unterbrochen wird und nie aufhört, solange die Gottesmutter in Freilingen ihr Heiligtum und ihren Wohnsitz hat", antwortete er auf die Anfrage des Reporters. 

"Es wäre die größte Torheit, wenn wir zugunsten anderer Wallfahrtsorte diese Wallfahrt aufgeben würden. Im übrigen haben wir nicht das Geringste dagegen, wenn unsere Ortseinwohner andere Wallfahrtsorte besuchen. Im Gegenteil! In der Kirche kennen wir keinen Neid und gewiss keine Konkurrenz, es geht uns nur um sachliche Gesichtspunkte. Zu den entfernteren Wallfahrtszielen konnte bisher nur ein kleinerer Teil der Pfarrangehörigen pilgern. Es waren zumeist nur die rüstigen und jüngeren Leute. Aber an der Freilinger Wallfahrt kann fast die ganze Pfarre teilnehmen, alle Kinder und selbst die Alten. Ähnlich liegen die Verhältnisse in den Nachbarpfarreien. Von den rund 2000 Teilnehmern der letzten Wallfahrt würde wohl kaum ein Zehntel eine Pilgerfahrt gemacht haben. Nun aber war die ganze Pfarrei dabei. Ich fände es daher als unklug, aber auch als undankbar, wenn wir diese Wallfahrt aufgeben würden", bekräftigte er seine Überzeugung von der Notwendigkeit und Bedeutung der Freilinger Wallfahrt. 

Im folgenden Jahr fand dann auch wie geplant trotz aller Spekulationen wieder eine große Wallfahrt mit hunderten Pilgern statt. Pfarrer Spülbeck war natürlich auch wieder mit dabei und eigens aus Wassenberg angereist, mit 120 Pilgern im Gefolge. Auch eine große Prozession aus Blankenheimerdorf ließ es sich nicht nehmen, im Anschluss an die Wallfahrt nach Barweiler auch noch in Freilingen an der Andacht vor der Kapelle teilzunehmen. 

So etablierte sich dann auch in den folgenden Jahren das Mutter-Gottes-Fest in Freilingen. Auch eine besondere Prozessionsfahne wurde gefertigt.

Sie wurde von Luzie Klerx, einer Schwester des damaligen Freilinger Lehrers Karl Klerx, aus blauer japanischer Kimonoseide genäht und gestickt. Das nötige Stickgarn hatten Freilinger Schulmädchen durch Aufriffeln alter Sachen gewonnen.

Ebenso entstand recht schnell ein eigenes Wallfahrtslied, das vom Lommersdorfer Heimatdichter, Wilhelm Huppertz verfasste wurde.

Vor allem machten sich die Freilinger im Laufe der Zeit durch eine besonders großzügige Gastfreundschaft einen guten Namen. In allen Häusern wurden die Pilger herzlich willkommen geheißen und kostenlos verpflegt. Später etablierte sich ein großer, gemeinsamer "Pilgerkaffee" im Saal von Meiershof, für den zahlreichen Freilinger Bäckerinnen Kuchen spendeten. 

Diese auch heute noch bestehende besondere Gastfreundschaft hat nur Corona in diesen Tagen hindern können...

(Quellen: Pfarrchronik Lommersdorf von Pfarrer Paul Spülbeck, Freilinger Dorfchronik von Albert Luppertz, Freilinger Schulchronik von Lehrer Karl Klerx) 

 

 

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