Vor genau 60 Jahren erlebte die Landwirtschaft an der Oberahr eine technische Revolution

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So viele leuchtende Augen, erwartungsfrohe Gesichter und freudige Stimmung trifft man eigentlich nur an Weihnachten an, wenn im Rahmen der großen Bescherung die ersehnten Geschenke verteilt werden.

Vor genau 60 Jahren erlebten zahlreiche landwirtschaftlichen Betriebe an der Oberahr diese weihnachtliche Stimmung im Frühjahr, als nämlich im Rahmen der Aktion "40 Bauern unter einem Hut" quasi eine technische Revolution in den bis dahin von harter, kräftezehrender Handarbeit geprägten bäuerlichen Alltag Einzug hielt.

 

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(Foto: © Erwin Stein)

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Ein Tag, den viele ältere Leute in unserer Gemeinde noch lebhaft in Erinnerung haben als einmalige große Gemeinschaftsaktion.

Es war Freitag, der 12. März 1954, als sich das Leben für viele Bauern an der Oberahr mit dem Empfang des ersten eigenen Traktors radikal zum Besseren änderte. Die Motorisierung der bäuerlichen Betriebe zu "Schlepperbauern" war eine Aktion im Rahmen des "Unternehmens Oberahr", eine sorgfältig geplante Kampagne der damaligen Spar- und Darlehnskasse Uedelhoven unter Federführung des Kassenrendanten Bernhard Krämer und des Kreislandwirtes und stellvertretenden Landrates Josef Riethmeister aus Freilingen mit den Deutz-Werken in Köln und dem Landmaschinenhändler Jonas in Bad Münstereifel. 

Bis zu diesem großen Tag und der Übergabe der neuen Schlepper war damals allerdings eine umfangreiche Planung und Organisation erforderlich, da die meist kleinen landwirtschaftlichen Betriebe nicht mal eben eine solche Anschaffung alleine stemmen konnten. Deshalb war ein besonderer Finanzierungsplan notwendig. Bereits 1936 hatten 6 Bauern in Uedelhoven schon einmal in einer Art "Traktor-Sharing" eine Schleppergemeinschaft gebildet und zusammen einen gemeinsam angeschafften Traktor genutzt, bei der die Idee der Vollmotorisierung aller bäuerlichen Betriebe auch schon einmal aufgekommen war. Doch zu diesem Zeitpunkt scheiterte die Pläne letztlich an der Finanzierung: einen eigenen Traktor konnten sich die meisten einfach nicht leisten. 

Dies sah 1954 anders aus. Die Oberahr-Gegend hatte sich zu einer der wichtigsten Anbauflächen für Kleesaat gemausert, die in vielen Betrieben für einen bescheidenen Wohlstand sorgte, so dass man die Anschaffung eines eigenen Schleppers doch überlegen und letztlich auch wagen konnte. Die Idee der Herren Krämer und Riethmeister war es, ein Drittel des kalkulierten Kaufpreises durch den Verkauf der auf den Höfen bis dahin im Einsatz befindlichen Zugochsen zu finanzieren. Den Rest sollten die Bauern der "Schlepper-Interessensgemeinschaft" dann über 5 Jahre hinweg in 10 Halbjahresraten tilgen. Der Zinsaufwand sollte über die eingesparten Viehfutter- und Beschlagkosten gestemmt werden. 

Die geplante Motorisierung sollte nach den Vorstellungen der Organisatoren überdies ein komplettes System sein: mit Ersatzteilversorgung und Service vor Ort, der durch baugleiche Traktoren effektiver arbeiten sollte und tauschbaren Geräten, um weitere Anschaffungskosten zu minimieren. Man holte Angebote ein und organisierte Vorführungen etlicher Marken, bis dann am Ende das Deutz-Werk in Köln mit dem Landmaschinenhändler Jonas in Bad Münstereifel als Servicepartner den Zuschlag in einem bis ins Detail ausgehandelten Vertrag mit Mengenrabatt für einen 11er Deutz bekam.

6000 Mark wurde dabei für einen Traktor mitsamt Pflug und Mähbalken ausgehandelt. Andere Geräte schaffte man zudem gemeinsam an, um sie bei Bedarf reihum zu nutzen. Eine gründliche technische Schulung durch einen Werksmechaniker war ebenso eingeplant worden, wie die Einweisung in die Arbeit mit dem Schlepper und den Geräten durch Ingenieure der Deula, ein Zusammenschluss deutscher agrartechnischer Bildungseinrichtungen. Den Ahrdorfer Schmied Karl Rieger gewann man als technischen Wartungspunkt. Für die, die keinen Führerschein besaßen, sollten Deutz-Fahrlehrer das nötige Wissen für die "Klasse 4" vor Ort vermitteln. 

34 Bauern setzten, überzeugt von der Idee, am 2. Februar 1954 ihre Unterschrift unter den Vertrag. Sechs wollten dann noch ihre Bestellung auf einen größeren Schlepper, einen 15er Deutz wechseln. Doch letztlich konnten alle 40 Maschinen vermittelt werden, so dass sich die Traktoren auf einem großen Sonder-Güterzug am Abend des 11. März auf die Reise nach Bad Münstereifel machen konnte. 

Am nächsten Morgen wurden die 40 neuen, grün lackierten Traktoren dann von Matthias Jonas in Empfang genommen und in einer langen Kolonne aufgereiht. Das Unternehmen Oberahr konnte beginnen.

Es war ein ganz bedeutender Tag für die Landwirtschaft an der Oberahr, der viel Aufmerksamkeit erregte. Journalisten, u.a. vom "Euskirchener Volksblatt" und einige Radioreporter begleiteten die Kolonne. Sogar ein Kameramann der "Neuen Deutschen Wochenschau" war eigens angereist, um dieses außergewöhnliche Ereignis im Bild festhalten zu können (die meisten Bilder sind übrigens diesem Film entnommen). Die aufregende Reise führte die stolzen neuen Traktorenbesitzer begleitet von vielen begeisterten und winkenden Zuschauer am Straßenrand über Tondorf durch das beschauliche Blankenheim

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bis nach Ahrhütte, wo auf einer großen Wiese ein unvergessliches Fest veranstaltet wurde.  

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(Foto: © Erwin Stein)

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Zum Empfang hatten sich dort viele Ehrengäste eingefunden. Sogar der damalige Kreistag des Altkreises Schleiden, der an diesem Tag eigentlich ab 9.00 Uhr morgens (!) ein Übersoll von 26 Tagesordnungspunkten erledigen musste, hatte seine Mammutsitzung unterbrochen und reiste geschlossen nach Ahrhütte, um der Begrüßungszeremonie beizuwohnen. Oberkreisdirektor Dr. Gerhardus trauerte als passionierter Förderer der Eifeler Viehzucht in seiner Ansprache zwar etwas den abgeschafften Oberahr-Ochsen hinterher, sprach dieser Gemeinschaftsaktion aber dennoch seine höchste Anerkennung aus. 

Der Freilinger Musikverein sorgte für die musikalische Umrahmung des großen Ereignisses, viele Kinder trugen Gedichte vor und der Pfarrer von Uedelhoven segnete die Schlepper, bevor die Bauern die Traktoren endlich mit nach Hause nehmen konnten.

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Zunächst ging es aber noch weiter in Richtung des damaligen örtlichen Bahnhofs, wo mittlerweile die Geräte ausgeladen worden waren, die dann von den neuen Besitzern abgeholt werden konnten.

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Dabei wurden die Landwirte noch in die Technik eingewiesen, anschließend zum Teil noch im Rahmen von regelrechten Lehrgängen, bei denen man die Einstellung der Ventile, die Entlüftung der Einspritzpumpe und den Ölwechsel erlernte. 

Doch die Umstellung auf die Motorisierung, an die sich die Bauern schnell gewöhnten, brachte bei allem Erfolg auch viele Veränderungen für die Landwirtschaft. Da man nach dem Verkauf der Zugtiere weniger Futter benötigte, ging der Bedarf an Klee stark zurück. Also stellten die Bauern auf Getreideanbau um, teilweise dann so erfolgreich, dass sie schon bald größere Traktoren erwerben konnten.

Von einer solchen Umstellung profitierte dann auch der Kleinbauer Hubert Schmitz aus Lommersdorf. Ende 1957 erfuhr er, dass ein 11er aus einer Nachlieferung (mehr als 80 Bauern nutzen 1955 und 1956 die Möglichkeit, im Anschluss an das "Unternehmen Oberahr" Traktoren zu ähnlich günstigen Konditionen kaufen zu können) zu verkaufen sei.

So kam er günstig zu einem Traktor, der heute noch in der Scheune in Lommersdorf besichtigt werden kann und tatsächlich noch von der heute 85jährigen Ehefrau Erika für kleinere Fahrten, z.B. in den Wald oder zum Schlehensammeln genutzt wird.

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Die meisten anderen, überhaupt noch existierenden Schlepper des "Unternehmens Oberahr" sind dagegen zum größten Teil nicht mehr vor Ort vorhanden, einige gingen an weit entfernt wohnende Sammler. Der letzte Uedelhovener 11er trat vor 10 Jahren die Reise in die Anden nach Südamerika an: der Besitzer stiftete ihn der örtlichen Peruhilfe und erleichterte dort den bäuerlichen Alltag, so wie einst an der Oberahr. Zur Freude der Kleinbauern...

Was heute bleibt sind Bilder und Erinnerungen an eine damals wie heute herausragende Gemeinschaftsaktion mit Vorbildcharakter!

 

(Quellen: Euskirchener Volksblatt, Ausgabe 65 vom 18.3.1954; Oldtimer Traktor, Ausgabe 3/2014; herzlichen Dank auch an Erwin Stein für die freundliche Unterstützung und die Bereitstellung der Wochenschauaufnahmen)

 

 

 

 

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